Ursula Günther: Im Gedenken an Ludwig Schumann

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Wenn ich gehen muss, gehe ich mit mir im Reinen

An Ludwig Schumann denken, heißt, an so vieles denken. Obwohl ich sein Schreiben bereits länger verfolgte und ihn aus seiner Zeit als Geschäftsführer der Werbeagentur TogDA bereits viele Jahre kannte, kam er mir als Autor und Mitglied des Fördervereins der Schriftsteller e.V. erst näher, als ich selbst in den Förderverein eingetreten bin und mich nach wenigen Wochen im frisch gewählten Vorstand wiederfand. In meiner neuen Funktion als stellvertretende Vorsitzende fühlte ich mich verpflichtet, die Mitglieder und vor allem ihr Schreiben schnell kennenzulernen.

Ludwig Schumann gehörte zu den ersten. Nicht, weil er besonders „laut“ in Erscheinung getreten wäre, nein, er gehörte in der Runde unserer regelmäßigen Treffen eher zu den Stilleren. Es war sein Schreiben, die Bandbreite dessen, womit er sich beschäftigte, das mich sofort auf ihn aufmerksam machte. Stets war er mit seinen Themen ausgesprochen ernsthaft befasst, obwohl seine Publikationen beileibe nicht zu ernsthaft daher kamen. Nein, er hatte so einen besonderen Humor: manchmal war es ein leiser, einer zum Schmunzeln, manchmal aber auch ein drastischer - ob nun politisch konnotiert, mit einem aufmerksamen Blick auf die Stadt Magdeburg oder auch mal erotisch. Er betrieb alles mit tiefem Anspruch, mit Ernsthaftigkeit und Akribie.

Und weil ich ihn so erlebt hatte, war seine Kolumne „Der langsame Leser“ immer das erste, was ich von einer Ausgabe der Kompakt-Zeitung las. Ja, da eckte er manchmal auch an, aber genau das machte ihn aus: Geradlinig zu bleiben entlang der „Ecken“.

Besonders erinnere ich mich an ein Gespräch mit ihm, in dem er über seine Recherchen im südlichen Sachsen-Anhalt berichtete. Schnell kamen wir vom aktuellen politischen Thema der Migration auf das der Völkerwanderungen. Daraus war er in vielen Orten, die er für sein Projekt aufsuchte, bei vielen Gesprächen, die er führte, gestoßen. Seine Augen leuchteten beim Reden: Er hatte den roten Faden für seine neue Geschichte gefunden. Der Anfang sei gemacht, sagte er zuversichtlich, nun ginge es an den Schreibtisch zur Arbeit. War die Recherche keine Arbeit? Er hatte den Kopf geschüttelt. Das sei das reine Vergnügen, auf eine Sache zu stoßen, die es wert sei, verfolgt zu werden. Und wenn dann ein Projekt fertig war, konnten alle, die in seinem großen Netzwerk versammelt waren, „Neues vom Schreibtisch“ lesen und durften gespannt sein.

So ernsthaft, wie Schumann auf die Suche nach Spuren für Geschichten ging, so offen und neugierig er auf Menschen zuging, so leicht und locker konnte er aber auch plaudern, war stets sprudelnder Quell. Langweilig war ein Gespräch mit ihm nie. Ein letztes intensives führte ich mit ihm zur Buchmesse 2018 in Leipzig. Da hatte er sich bereits – in der ihm eigenen, den Dingen auf den Grund gehenden Art - mit seiner Erkrankung auseinander gesetzt und war trotz bevorstehender Operation optimistisch. Dann, nach einer Pause, der mir unvergessene Satz:
‚Wenn ich denn gehen muss, gehe ich mit mir im Reinen.‘

Ursula Günther (geb. 1952, Gubin) studierte Journalistik in Leipzig und arbeitete in leitender Funktion in verschiedenen Pressestellen. Seit 2016 ist Ursula Günther, die auch unter dem Namen Charlotte Buchholz veröffentlicht, stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins der Schriftsteller e.V. Sie wurde vom Land Sachsen-Anhalt zur Engagementbotschafterin ernannt. Auch in dieser Funktion unterstützt sie das Wirken regionaler Autor:innen.


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